Schaut man sich die aktuellen Studien durch, wird eins schnell klar. Alle wollen sie Verantwortung. Mitarbeiter wollen mitreden, mitdiskutieren und gefragt werden und die Führungskräfte wollen mehr Mitarbeiterbeteiligung und wünschen sich Teams, die eigenverantwortlich denken und handeln.
Meist klappt es im Alltag dann doch nicht so einfach. Gründe dafür sind fehlendes Vertrauen, wenig Sicherheit, den Mut abzugeben oder die Angst vor möglichen Konsequenzen.
In diesem Blog möchte ich das Thema Verantwortung beleuchten und schauen, was Menschen veranlasst Verantwortung zu übernehmen, welche Rolle unsere Erziehung, die Unternehmenskultur, die Führung und unser Bewusstsein spielt und erste einfache Schritte zeigen, wie sich Arbeitskräfte zu Mitunternehmer entwickeln.
Erziehung: Der verantwortungsbewusste Mensch - oder doch erzogen zum Duckmäuser?
„Die Verantwortung für sich selbst ist die Wurzel jeder Verantwortung.“ (Mong Dsi)
Verantwortung zu haben oder zu übernehmen, bedeutet, die Fähigkeit und Bereitschaft zu besitzen, für das eigene Leben bewusste Entscheidungen zu treffen sowie für mögliche Konsequenzen einzustehen.
Ein selbstbestimmtes Leben führen, sich frei zu entfalten und so leben, wie sich das richtig anfühlt. Das wollen wir alle. Doch diese Bewegung, dieser Drang war nicht immer da. Er hat sich in den letzten Jahren verstärkt. Schaut man zurück, in die Zeit unserer Großeltern, war Sicherheit, ein gutes Gehalt und Stabilität viel wichtiger als Sinnhaftigkeit und Selbstentfaltung. Unsere Gesellschaft ist gebaut auf Konsum. Sie braucht Menschen, die fleißig arbeiten, um diesen Konsum zu produzieren und selbst zu nutzen. Auch den Konsum von Reisen, Speisen und Events. Frust und innere Leere führt zu erhöhtem Konsum. Darum produziert unser Schulsystem Menschen, die Arbeitsbienen ähnlich funktionieren, dafür mit Geld und Goodies belohnt werden und dann wiederum selbst viel zu konsumieren. Hier passt ein glücklicher und selbstbestimmter Mensch nicht rein.
Wo einst Mama und Papa die Regeln vorgegeben haben, hat später der Lehrer/die Lehrerin, den Menschen zur perfekten Arbeitskraft ausgebildet um ihn auf dem Arbeitsmarkt dem Chef/der Chefin zu übergeben. Unsere Arbeitskraft, die sich durch Pünktlichkeit, Fleiß und Regeltreue auszeichnet, verlangt nun nach Regeln, Aufgaben und Konsequenzen. Sie braucht einem Manager der delegiert, kontrolliert, kritisiert und motiviert – also einer, der für alles die Verantwortung übernimmt.
Im Wort Verantwortung verbirgt sich das Wort Antwort. Der Mensch hat es in 18 Jahren nie gelernt, Antworten für sich selbst zu finden, diese klar zu kommunizieren, zu wissen, was er will, was nicht, wie er tickt und was seine Ziele im Leben sind. Er kann es nicht, auch wenn er wollte und dürfte. Nur wer das Glück hat, in einem Umfeld aufzuwachsen, wo Bewusstwerdung und Selbstbestimmung ein Thema ist, wie z.B. Religion, Vereine, Bildung über Familie, Bücher etc. ist in der Lage, für sich Antworten zu finden.
„Mensch sein heißt verantwortlich sein.“ (Antoine de Saint-Exupéry)
New Work: Eine Welt voller Freiheit und Selbstententfaltung Nun trifft unsere Arbeitskraft auf Unterhemen, die sich gerade komplett neu erfinden müssen. Es sind Unternehmen, die gemerkt haben, dass sie den heutigen Herausforderungen nur begegnen können, wenn sie Menschen beschäftigen, die mitdenken, kreativ, lösungs- und kundenorientiert sind und die gerne Verantwortung übernehmen. Menschen, die sich freiwillig weiterentwickeln, sich freiwillig Aufgaben annehmen, diese eigenverantwortlich umsetzen und auch noch Freude dabei haben. Es prallen Welten aufeinander! Endlich kann die Arbeitskraft ihrer Sehnsucht nach Freiheit und Selbstbestimmtheit nachgeben, diese ausleben und wichtig sein. Doch sie kann vorerst mit dem Raum aller Freiheit wenig anfangen. Hier fallen Sätze wie: „Ja, ich will mitreden und mitentscheiden und mitdiskutieren, aber die Verantwortung dafür – nein danke. – Dafür werde ich schließlich nicht bezahlt...“
Auch tritt ein anderes Phänomen ein: Wir stolpern über unsere Prägung, Gewohnheiten und veralteten Denkmuster. Es werden immer wieder die gleichen Wege eingeschlagen – wohlwissentlich, dass sie in eine Sackgasse führen. Wenigstens sind diese Wege bekannt.
Schaut man genau hin, sind die Herde für diesen Konflikt schnell erkannt: Noch immer nämlich krallen sich unsere Unternehmen an der Pyramidenstruktur, der Top-Down Hierarchie und einem Chef, der sagt wo’s lang geht, fest. Noch immer herrscht das Mindset vor „Fehler sind schlecht“ und noch immer wird geglaubt, Traummitarbeiter mit Gehalt und Goodies anlocken, motivieren und binden zu können. Kurz gesagt, unseren Unternehmen fehlt es an
geeigneten Strukturen,
einer passenden Kultur,
der Führungsqualität
sowie am Bewusstseinsgrad der Mitarbeiter.
Klarheit: Rahmen und Sicherheit schaffen
"Wenn zwei verantwortlich sind, ist keiner verantwortlich", so ein Portugiesisches Sprichwort. Um Antworten geben zu können braucht es Klarheit. Dazu dient auch die klare Definition von Rollen. Wir selbst beschreiben eine Rolle in vier Teilen: Der Zielsetzung der Rolle, dem Verantwortungsbereich der Rolle, den erforderlichen fachlichen und persönlichen Kompetenzen, sowie einer kurzen Aufgabenbeschreibung der Rolle. Wer eine Rolle annimmt, gestaltet sie selbst, passt sie an sich an und füllt sie voll und ganz aus. Wichtig dabei ist, dass das das Ziel erreicht wird und die Verantwortung dafür übernommen, - mit allen möglichen Konsequenzen.
Rollen lassen sich wunderbar visualisieren, vergleichen und anpassen. Die Ziele und Verantwortungsbereiche aller Rollen sollte allen klar bzw. leicht einzusehen sein. Nur so können Rollen eine Grundlage bilden für Personalentwicklung, Gehaltsverhandlungen, strategische Entscheidungen, Einstellungen etc.
Führung: Der Brückenbauer Verantwortung übertragen zu bekommen ist ein Zeichen von Respekt und Anerkennung. Der Chef sagt damit, „Ich trau dir das zu, du bist gut genug, du schaffst das.“ Es ist eine Ehre Verantwortung zu übernehmen. Das will jeder. Doch was ist mit der anderen Seite der Medallie?
Dazu braucht es erst einmal Menschen, die Verantwortung abgeben können, dürfen und wollen. Das scheitert oft am Vertrauen, der Angst vor Fehlern und dem Ego. Denn noch immer ist Wissen Macht und Menschen uninformiert zu halten oder mit Halbwahrheiten und ohne Hintergrundinfos zu lassen, führt automatisch zu mehr Fehlern. Hier schließt sich dann der Kreis und wir hören Sätze wie, „Hätte ich es doch besser selbst gemacht, ...wusste ich doch von Anfang an, dass das nicht klappt …“ Eine solche Haltung wird jegliche Verantwortungsübernahme im Keim ersticken.
Stattdessen brauchen wir eine neue Rolle der Führung. Gerne sprechen wir in diesem Zusammenhang von einem servant leader. Dieser hat Aufgaben wie
den Begriff Verantwortung im Unternehmen und alle damit verbundenen Rahmenbedingungen zu klären.
persönlich und eindeutig Verantwortung zu übertragen, mit allen möglichen Konsequenzen.
Ergebnisverantwortung zu klären und die Mitarbeiter in der Ergebnisverantwortung zu lassen.
Mitarbeiter an ihren Verantwortungen wachsen zu lassen
Fehler zuzulassen und ständiges Lernen einzufordern
Unsere Arbeitskräfte die Verantwortung übernehmen wollen und dürfen, es aber vielleicht noch nicht können, müssen von ihren Führungskräften über die Brücke geführt werden. Dazu hilft Lob, die Anerkennung im Team, das Sichtbarmachen von keinen Erfolgen aber auch der Rückhalt, wenn dann doch mal ein Fehler passiert ist.
Überforderung hilft niemandem. Menschen wachsen durch ihre Aufgaben. Darum klein anfangen mit der Verantwortungsübergabe und dann langsam steigern und das immer in enger Absprache mit dem jeweiligen Menschen.
Bewusstseinsentwicklung: Eigenverantwortung stärken
Um Antworten geben zu können, braucht es Menschen die das wollen. Selbst wenn die besten Bedingungen und das größte Potential vorhanden sind, wenn der/diejenige es nicht einsetzen will, nützt dies niemandem etwas. Was braucht ein Mensch also, damit er freiwillig Verantwortung übernimmt und wie können Führungskräfte oder Kollegen ihn darin unterstützen?
Erst einmal müssen wir erkennen, auf welcher Stufe der Verantwortungs-Leiter sich die einzelne Person befindet. Dazu hilft uns folgendes Schaubild:
Wo stehen deine Mitarbeiter? Menschen haben Angst vor Fehlern und schrecken davor zurück. Sie befürchten einen Gesichtsverlust, eine Degradierung oder sonstige Konsequenzen. Jedoch, fühlt sich der Mensch sicher in seinem Umfeld, werden Fehler nicht als Fehler gesehen, sondern als Lernerfahrungen, wird nicht nach dem Schuldigen, sondern gemeinsam nach einer Lösung gesucht und wird wegen eines Fehlers nicht die Verantwortung entzogen, verändert sich die Einstellung. Der Mensch wird mutiger, öffnet sich, nimmt mehr an, probiert mehr aus, fragt Kollegen nach Hilfe, lernt dazu und trägt die Konsequenzen. Er entwickelt sich zum Mitunternehmer. Es gilt also eine Kultur der Angst in eine Kultur des Lernens und der Neugierde zu verwandeln.
Und das geht mit allen Menschen? Ja, solange du jeden dort abholst, wo er sich auf der Verantwortungsleiter befindet und ihn nur mit sich selbst vergleichst, - nicht mit den anderen. Erkennt er einen persönlichen Mehrwert und Raum zum Wachsen, wird er sich für Entwicklung öffnen und an sich und seinem Bewusstsein arbeiten. Denn wer wünscht sich schon kein Respekt, Anerkennung oder Förderung?
Das Team zählt! Wenn allen bewusst ist, dass man im Team mehr erreicht, wenn wir uns gegenseitig unterstützen die selbstdefinierten Zeile zu erreichen, dann herrscht eine psychologische Sicherheit. Der Mitarbeiter kann sich auf seine Kollegen verlassen, sie sind sein Backup. Sowohl fachlich wie persönlich. Wer nicht mehr kann oder weiter weiß, sucht im Team nach Unterstützung. Nicht damit es Verantwortung abnimmt, sondern ihn darin unterstützt, die eigene Verantwortung besser zu tragen. Dazu braucht es Menschen, die proaktiv nach Hilfe fragen, ohne einen Gesichtsverlust zu befürchten, anderen gerne helfen.
Eigenverantwortlich zu sein bedeutet außerdem, dass jeder für seinen eigenen Wertschöpfunqsbeitrag im Unternehmen verantwortlich ist und sich ggf. selbständig neue, passende Aufgaben sucht oder kreiert.
„Kannst du die Frage stellen: „Bin ich für mein Handeln verantwortlich oder nicht?“, so bist du es.“ (Fjodor Dostojewski)
Reflektion: Erste Schritte in Richtung Verantwortung
Zurück in unser Privatleben. Auch hier stehen wir für unsere gemachten Fehlentscheidungen ein, suchen nach Lösungen und übernehmen die Konsequenzen. Der eine mehr, der andere weniger. Wir haben im Privatleben keinen Chef. Warum dann im Unternehmen?
Um zu analysieren, woher die Verantwortungsablehnung im Unternehmen kommt, müssen die Teams zu Beginn drei Fragen beantworten:
KANN der Mitarbeiter Antworten geben? – Hat er die Expertise, die Erfahrung, das Potential und alle Informationen, die er dafür braucht?
DARF er Antworten geben? - Lassen Führungskraft und Team, die Strukturen und die Kultur das zu? Welche Rahmenbedingungen gibt es? Herrscht Klarheit?
WILL er Antworten geben? – Hat er die Bereitschaft, den Mut, den Wille Antworten zu geben und für die möglichen Konsequenzen gerade zu stehen, sowohl für das Handeln wie auch das Unterlassen?
„Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.“ (Molière) Kritisch in den Spiegel zu sehen, ehrlich zu sich und den Kollegen zu sein, um daraus bestehende Gaps zu erkennen und benennen, ist der erste Schritt. Nun geht es darum, Klarheit zu schaffen, für jeden die richtige Führung zu finden, eine Kultur des Vertrauens und der Sicherheit zu schaffen und die Menschen einzeln auf ihrer jeweiligen Stufe abzuholen. Wir nennen das Transformieren. Und Transformation beginnt immer mit einer Frage. Hier könnte z.B. folgende Frage gestellt werden: Möchtest du dich fachlich und persönlich weiter entwickeln? Dann könnte man gemeinsam analysieren, wo mögliche Gründe der Ablehnung liegen. Und dann gilt es zu erforschen, welche Art der Führung, welcher Teamsupport und welche fachlichen Lücken bestehen, um Antworten für die jeweiligen Rollen und Verantwortungsbereiche geben zu können, dürfen und wollen.
„Wer Menschen beschäftigt, muss sich mit Menschen beschäftigen“
Aller Anfang ist schwer… doch nur weil wir es uns schwer machen. Hier einige Ideen, wie einfach im Unternehmensalltag Verantwortung übertragen werden kann:
Übertragung der (Teil-)Projektleitung
Moderation von Team-Meetings
Vorbereitung und Durchführung einer wichtigen Präsentation/ eines Fachvortrags
Leitung von Workshops oder Einsatz als (Co-)Trainer
Entwicklung von Zielvereinbarungen durch Mitarbeiter
Übernahme einer Patenfunktion
Ansprechpartner und Entscheider für bestimmte Tätigkeiten
Kommunikation der Mitarbeiterverantwortung für Sachthemen nach außen
Bildung und Leitung eines (internen oder externen) Experten-Netzwerks
Übernahme der Praktikanten- oder Azubibetreuung
Übertragung der Stellvertreterfunktion
Vorbereitung und Durchführung von Kritikgesprächen, Lösen von Konfliktsituationen
Repräsentation des Unternehmens auf einer Messe oder Fachtagung
Alleinige Wahrnehmung wichtiger Kunden- oder Lieferantentermine
Aufforderung an Mitarbeiter zur Stellungnahme bei Entscheidungen
Anregen der Analyse von Konsequenzen der Entscheidungen
Akzeptanz der von Mitarbeitern getroffenen Entscheidungen (mit konstruktiver Kritik)
Ablehnung von Rückdelegation
Mehr Verantwortung zu übergeben und zu übernehmen ist ein Weg, kein Ist-Zustand. Genauso wie Entwicklung, Kulturveränderung, servant leadership. Alles beginnt mit einem ersten Versuch, einem ersten Schritt und einem ersten Gedanken. Du hast noch offene Fragen, andere Erfahrungen, bist damit gescheitert oder hast diesen Weg noch vor dir? Dann lass uns jederzeit austauschen und erhalte weitere Ideen und Methoden zur Umsetzung.
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