Letzte Woche kam ich von unserem zweiwöchigen Norwegenurlaub zurück. Bei einer Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h und ständigen Zwangspausen für die Fährüberfahrten – die totale Entschleunigung. Vielleicht ist die Entschleunigung ja der Grund warum die Norweger so freundlich, entspannt und friedselig sind. Oder sind sie einfach glücklich? Der World Happyness Report würde das bestätigen. In diesem beansprucht die norwegische Bevölkerung schon seit Jahren die obersten Ränge für sich. Das macht mich nachdenklich. Wie kann es sein, dass Freundlichkeit, Entspannung und Naturverbundenheit, ganz im Gegensatz zur hiesigen Lebenseinstellung „schaffe, schaffe Häusle baue“, der Wirtschaftlichkeit des Landes nicht schadet? Oder sind vielleicht gerade die glücklichen und entspannten Menschen der Schlüssel für Norwegens wirtschaftlichen Erfolg? – Meine Erkenntnisse und was ich für mich persönlich mitnehme, darum geht’s in diesem Blog.
„Friluftsliv“
Ein Wort, das das Leben im Freien beschreibt. Als Friluftsliv gilt alles, was mit dem Genießen der Natur zu tun hat und ist das Lebenskonzept der Norweger, - wie Langlauf und Schafwollpullover. Das Erfolgsrezept nennt sich Gemütlichkeit:
Ein scherzhaft gemeintes Klischee über die Norweger besagt, dass sie sich am glücklichsten fühlen, wenn sie viele Stunden Auto gefahren und mit schwerem Gepäck auf dem Rücken auf Langlauf-Skiern weit in die Landschaft gewandert sind, um dann an einer Hütte ohne Strom und Wasser anzukommen und es sich dort gemütlich zu machen.
Entschleunigen, die Natur mit Freunden und Familie genießen, das scheint dem Land, der Wirtschaft und der Bevölkerung gut zu tun.Ein glückliches Volk
Mich spricht diese Lebenseinstellung total an. Ich bin nämlich schon seit langem davon überzeugt, dass glückliche Menschen, gesünder sind, leistungsfähiger, kreativer, lösungsorientierter und teamfähiger. Und Norwegen scheint diese Theorie zu bestätigen, ist es doch das Land der glücklichen Menschen wie eine Untersuchung der UNO aus dem Jahr 2013 bestätigt.
Das skandinavische Land belegte unter 156 Ländern den zweiten Platz und hält sich seither tapfer an der Spitze. In diese Bewertung flossen Kriterien wie Lebenserwartung, soziales Gefüge und Freiheit ein.
So haben die Norweger nicht nur die höchste Lebenserwartung weltweit, sie zählen außerdem zum Land mit dem höchsten Wert im Human Development Index 2021 (Statista) und leben die Vereinbarkeit von Beruf und Familie vorbildlich, nur schon durch die im Jahr 1993 eingeführte Väterquote. Demnach werden Väter nach der Geburt eines Kindes 10 Wochen lang von der Arbeit freigestellt und erhalten Elterngeld, wenn sie die Betreuung des Nachwuchses übernehmen.
Laut Professor Jeffrey Sachs von der New Yorker Columbia University und eine Gruppe internationaler Experten hängt das Glücksempfinden der Menschen vor allem von den Faktoren Fürsorge, Freiheit, Großzügigkeit, Ehrlichkeit, Gesundheit, Einkommen und gute Regierungsführung ab. „Ich habe einen guten Job, eine feine Familie und viele Freunde“, sagt der Osloer Anders Fladby (39). „Die Sicherheit darüber macht mich glücklich.“
Der Unterschied - Vergleich mit meiner Realität Kaum nach der Dänischen Grenze wieder in Deutschlad angekommen, nimmt die Aggression auf den Straßen merklich zu. Die Mienen verfinstern sich. Das freundliche „hej-hej“ liegt weit hinter uns. Das Umfeld prägt uns, erzähle ich meinen Kindern zu Hause. Man kann machen was man will, man wird früher oder später wie sein Umfeld. Ich stelle mir die Frage, inwieweit mich unsere Deutsche Kultur, in der ein allzeit hohes Stress- und Jammerlevel zum guten Ton gehört, schon beeinflusst hat. Und ob mein hohes Energielevel, mein durchgetakteter Kalender, meine vielen abgehakten To-Dos und vielen Arbeitsstunden wirklich Grund sind, um stolz zu sein - oder doch eher besorgniserregend? Ist es wirklich das, worum es es mir in meinem Leben geht? So wollte ich letztes Wochenende noch schnell nach zwei anstrengenden Auto-Wochen durch Norwegen, den Garten in Schuss bringen, mein Buch weiterschreiben, allen Kindern gerecht werden, um dann am Montagmorgen nach einer schnellen Sporteinheit und vor dem schnellen Kaffee, mich noch schnell an meine überfüllte To-Do Liste zu setzen. Nicht so schnell, sagte mein Körper und setzte mich erstmal mit Fieber und Grippe einige Tage außer Gefecht. Herzlichen Dank an das Leben! Hier wurde mir bewusst, wie unachtsam ich noch oft bin, wie viel ich von mir ohne Rücksicht auf Verschleiß verlange, wie wenig ich tatsächlich beeinflussen kann und wie wichtig die Gesundheit ist. Viele Gedanken, Gespräche, Vergleiche und das Suchen von Alternativen für meinen Alltag haben mich letzte Woche auf einige Ideen gebracht.Entschleunigung - Endlich Zeit zum nachdenken
Fokus auf Wirksamkeit anstatt Zeitabsitzen Gut zu arbeiten bedeutet nicht lange zu arbeiten. Doch was ist wirkungsvolles Arbeiten? Könnte ich es schaffen, der gleiche Output in einer massiv kürzeren Zeit zu schaffen? Ich bin mir sicher ja. Denn oft „drösle“ ich vor mir her, weil ich Ruhepausen brauche, mir diese aber nicht bewusst nehme, sondern über Umwege besorge (Rumgooglen „Recherchieren“, unproduktive Meetings, lange Telefonate, im Handy rumscrollen, Verschieben von unliebsamen Aufgaben und Fokussierung auf unwichtige, aber leichte Dinge, …) Was wäre, wenn ich nur noch 50% der Zeit für meine Arbeit hätte? Wie würde diese aussehen? Was müsste ich ändern? Wie strukturiere ich mich? – Kreativität ist hier verlangt. Lets go crazy: Und schaffe ich das alles auch – entschleunigt? Wie sieht das genau aus? Wie fühlt sich das an? Bewusst planen, arbeiten und erholen Bewusst zu arbeiten, beginnt mit einer guten Planung. Eine gute Planung ist sinnvoll und bringt mich ohne viel Energieverlust zu meinen Zielen. Es bedeutet nicht To-Do Listen abzuarbeiten und von Aufgabe zu Aufgabe zu springen, sondern meine Energie und Konzentration zu bündeln. Es bedeutet, meine natürlichen Phasen zu achten und zu nutzen. Bewusstes Arbeiten bedeutet wirkungsorientiert und strukturiert vorzugehen, Projekte, operative und strategische Aufgaben jeweils zu bündeln, mich auf Agenden zu strukturieren, keine Ablenkungen zuzulassen, z.B. Mails 1x am Tag zu checken und nicht gleich morgens, feste Tage für feste Aufgaben festzulegen, Konzentrations- oder Flowzeiten einzubauen etc… Und dann gehört dazu die bewusste Erholung. Oft wird Erholung damit verglichen, nicht seiner gewöhnlichen Arbeit nachzugehen. So sehe selbst ich am Wochenende der Hausputz, der Einkauf, die Gartenarbeit, oder mein soziales Engagement als „Erholung“. Kein Wunder, sind meine Batterien oft leer und die Reizüberflutung ist hoch. Erholung ist nicht gleich Freizeit. Von den Norwegern habe ich gelernt, dass Erholung Abstand, Natur, Freunde und Familie und Bewegung bedeutet. Und dafür braucht man Zeit. Alles andere, gehört im Alltag integriert, damit das Wochenende zur bewussten Erholung da ist. Denn je erholter ich bin, umso glücklicher, kreativer und produktiver kann ich wieder in meiner bewussten Arbeitsphase sein. Ein positiver Teufelskreis. Nein-sagen lernen Nicht für jeden ein Thema aber für mich. Hin und wieder ein freundliches Ablehnen schadet nicht. Im Gegenteil. Es gibt mir selbst die Macht über meine Lebenszeit zu entscheiden – und nicht den anderen. Ist mir meine Lebenszeit dafür gut investiert? Oder wüsste ich besseres mit dieser Zeit anzufangen? Zwei Fragen, die ich mir oft stelle und die mir zu klaren Entscheidungen verhelfen. Bewusst meine Freizeit gestalten Freizeit - was war das nochmal? „Für sowas habe ich keine Zeit…“ Ein Satz der Status ausdrücken soll. Die Frage ist, für was möchte ich mir bewusst meine Zeit nehmen? In Norwegen ist mir aufgefallen, nähen die Menschen sehr viel. Es wird gestickt, gestrickt, gemalt, genäht, gehäkelt… Der Winter ist lang und dunkel, vielleicht kommt es daher. Jedenfalls will ich schon seit Jahren nähen und sehen, ob ich noch Stricken kann, so wie früher und meine Gitarre gehört auch einmal wieder aus dem Eck geholt und bespielt. Schlagzeuglernen ist auch ein Traum von mir und die Imkerei… Warum ich mir die Zeit dafür nicht nehme, frage ich mich und worauf ich warte. Wann kommt der richtige Zeitpunkt all das zu machen, was ich schon immer machen wollte? Die Zeit ist jetzt, stelle ich fest. Dafür brauche ich Zeit. Zeit die ich mir durch bewusstes Arbeiten zurück hole. Gewohnheiten erkennen und ändern "Ab nächster Woche arbeite ich nur noch morgens",- habe ich letzte Woche meinen Kindern verkündet. "Der Output bleibt der gleiche". Etwas ungläubig schauten sie mich an und haben so mein Innerstes widergespiegelt. Es ist ein Test. Ich will sehen, ob das überhaupt geht, ob und wie lange ich das durchhalte und welche weiteren Veränderungen sich daraus ergeben. Fühlt sich das wirklich nach Entschleunigung an und macht es mich glücklicher? Der Plan steht: Dafür
gehe ich abends pünktlich ins Bett,
stehe morgens früher auf,
packe meinen Morgensport auf den Nachmittag
involviere meine Kinder wieder mehr im Haushalt
arbeite an meiner Planung, Strukturierung, Selbstdisziplin und Fokussierung
und lagere ich mehr aus
um so in kürzerer Zeit und entschleunigt das Gleiche zu erreichen.Fazit - Gute Entscheidungen treffen nur glückliche Menschen Norwegen hat in der Vergangenheit viele gute Entscheidungen getroffen: In vielen Themen wie Nachhaltigkeit, Integration, Rentenvorsorge, wirtschaftliche Stabilität etc. haben sie außergewöhnliche, kreative und gute Entscheidungen getroffen. Entscheidungen, die dem Land zu nachhaltigem Wohlstand verholfen hat und auch damit seine Bevölkerung mit dem höchsten Lebensstandard beschenkt. Wohlstand und einen höheren Lebensstandard beginnt in mir, bei meiner Bewusstwerdung. Raus aus dem Hamsterrad und rein in die bewusste Gestaltung eines selbstbestimmten, authentischen Leben. Durch die Entschleunigung konnte ich nachdenken, mir bewusst werden und kreativ Ideen entwickelt, wie ich Entschleunigung in meinem Alltag leben könnte - ohne dafür das Land zu wechseln. Jetzt geht es darum, meine Ideen 1-2 Monate ihrer Alltagstauglichkeit zu testen um mich dann zu entscheiden, ob und welche Anpassungen ich vornehme oder ob ich zurück ins Hamsterrad gehe. Wenn – dann ganz bewusst. Was für mich "nur morgens arbeiten" bedeutet, ist für andere die immer öfter diskutierte 4-tage Woche oder mehr Urlaubstage oder ein höheres Gehalt um bald ganz aussteigen zu können oder ein Sabbatical... Jeder findet seinen Weg. Meine gemachten Erfahrungen werde ich mit meinen Teams teilen - für ihre eigene bewusste Umsetzung. Darauf freue ich mich schon!
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