Seit Wochen komme ich in der Begleitung einiger Teams immer wieder an meine Grenzen. Im Mentoring überlegen die Führungskräfte und ich alle möglichen Gründe, warum die eingeleiteten Maßnahmen nicht so fruchten, wie wir uns das vorstellen. Denn die beiden gegründeten Arbeitsgruppen „Wirkungsvolle Kommunikation“ und „Rollen leben“ haben sämtliche Grundlagen geschaffen, damit das Team effizient arbeiten kann…

In den letzten drei Monaten wurden
Rollen ausgearbeitet und visualisiert,
die Schnittstellen der Rollen geklärt,
anhand eines Entscheidungsbaums Unklarheiten geklärt,
eine Kompetenzanalyse und eine -Matrix zur persönlichen Weiterentwicklung erstellt,
Kommunikationswege, -Muster und Dokumentationsgewohnheiten identifiziert, bewertet und verbessert,
viele Leitfäden erstellt,
das Team zu allen möglichen Wünschen und Ideen befragt
und natürlich das Herz der Teamkommunikation wieder in Schwung gebracht: Das Teammeeting umstrukturiert und in die Verantwortung in das Team gegeben.
Um die Leute mit auf die Entwicklungsreise zu nehmen haben wir
das Team in Workshops mit Impulsen versorgt,
das Bewusstsein der KollegInnen zu den einzelnen Themen geschärft,
ein gemeinsames Ziel definiert,
das Unternehmen von außen nach innen gedacht und neu strukturiert,
das Team zum Mitdiskutieren eingeladen und mit Befragungen engagiert.
… Und ja sie haben alles brav mitgemacht. Jede einzelne Befragung haben sie beantwortet. Jede Wochenaufgabe haben sie pünktlich abgeliefert. Die Workshops waren gut gefüllt. Sie haben sich als verlässliche und interessierte Mitarbeiter von ihrer besten Seite gezeigt.
„Warum klappt es nicht?!“
Woran es nach wie vor mangelt, ist ihr Mut, Entscheidungen selbst zu treffen, sich ihre nächsten Schritte selbst zu überlegen, proaktiv im Team nach Antworten und Lösungen zu suchen, ihren Gedanken freien Lauf zu lassen, Unklarheiten, Ideen, Verbesserungen im Team aktiv anzugehen und zu lösen. Es mangelt an Miteigentümerschaft und Autonomie.
Denn...
Noch immer sichern sie sich ab, durch meterlangen Emails an ihre Führungskraft, in denen sie haargenau beschreiben, was sie im nächsten Schritt tun werden - „…und ob das so okay wäre“.
Noch immer tragen sie wochenlang Ideen mit sich herum, ohne sie auf die Agenda zu packen und anzusprechen – „…weil der richtige Zeitpunkt bisher einfach nicht gekommen ist…“
Noch immer stagnieren Entwicklungsthemen, - „…weil wir dazu keine Zeit haben“.
Noch immer herrscht großteils Schweigen in den Teammeetings und die Mehrheit der Kollegen sagt lieber nichts – „…weil es falsch sein könnte.“
Noch immer wird die Verantwortung über Entwicklungsthemen zurück zur Führungskraft delegiert - „…denn nur durch den Druck von oben werden die Kollegen aktiv.“
Noch immer werden Schuldige gesucht und detailliert die Fehler im großen Meeting breitgetreten – „denn darüber sprechen hilft“.
Noch immer werden Stunden für die Erstellung von Leitfäden investiert, ohne das Team dazu befragt zu haben - Hauptsache beschäftigt wirken.
Noch immer wird wochenlang darüber diskutiert, ob die letzte Aussage des Chefs ein Auftrag oder nur eine Idee war, geklärt wird das aber nicht – „…weil das ja nicht so wichtig ist.“
Und noch immer werden Themenlisten abgearbeitet ohne jegliche Zusammenhänge, Sinnhaftigkeit, Effektivität oder einen Mehrwert zu erkennen - Hauptsache etwas tun.
Es fühlt sich so an, als hätten wir einen startklaren Ferrari mit laufendem Motor auf einer gewaltigen Piste stehen, doch er traut sich nicht loszufahren.
Was hier sichtbar wird ist unsere Prägung. Unser Schulsystem das auf Fleiß, Pünktlichkeit und Folgsamkeit ausgelegt ist, ist erfolgreich. Eigenes Nachdenken, Ausprobieren, Scheitern, Verantwortung übernehmen – das haben viele nie gelernt, bzw. diese Selbstsicherheit wurde nie aufgebaut. Sich langsam und vorsichtig zu bewegen, immer im Augenkontakt mit dem Chef bleiben und sich auf alle Seiten abzusichern, das war schon in der Schule so. Lieber 3x nachfragen, als etwas Falsches machen,- die Bestrafung wartet um die Ecke.
Psychologische Sicherheit, das Zünglein an der Waage?
Was ist es was die Menschen brauchen, damit sie nicht nur können sondern auch wollen? Selbst loszulegen, umzusetzen, Entscheidungen zu treffen, Lösungen zu finden, kundenorientiert zu handeln, Konflikte zu lösen das proaktive Erreichen der einen Rollenziele, Verbesserungen zu sehen und anzusprechen, das geht nur, wenn sich der Mensch sicher fühlt.
In der Vergangenheit habe ich schon viel über psychologische Sicherheit gehört. Ich habe es aber immer als „nice to have“ bewertet. Mit Psychologie kenne ich mich wenig aus. Und doch kommt mir dieser Begriff in den letzten Wochen immer wieder in den Sinn. Was bedeutet er? Wie erkennt man einen Mangel davon in seinem Team und wie stärkt man ihn?
Wenn sich ein Team psychologisch sicher fühlt, bedeutet das, dass sich die Mitglieder sicher fühlen, ihre Meinung zu äußern, Fragen zu stellen, Fehler zuzugeben und Risiken einzugehen, ohne Angst vor negativen Konsequenzen wie Ablehnung oder Bestrafung zu haben.
Passive Aggression – ein Mangel an Sicherheit und Autonomie
Bevor wir uns ansehen, was es braucht, die psychologische Sicherheit im Team zu stärken, schauen wir uns an, wie man einen Mangel im eigenen Team erkennt.
Prokrastination: Teammitglieder verschieben Aufgaben bewusst oder arbeiten langsamer als nötig, um ihre Unzufriedenheit auszudrücken.
Widerstand gegen Anweisungen: Aufgaben werden zwar formal ausgeführt, jedoch nicht in der gewünschten Qualität oder mit dem erwarteten Engagement.
Vermeidung von Kommunikation: Teammitglieder vermeiden Meetings oder Gespräche mit Vorgesetzten, um Konflikten aus dem Weg zu gehen oder ihre Missbilligung zu zeigen.
Verbreitung von Negativität: Es wird negativ über die Arbeitsumgebung oder Führung gesprochen, oft hinter dem Rücken der Vorgesetzten.
Ironie und Sarkasmus: Kommentare und Bemerkungen sind oft sarkastisch oder ironisch, um Unmut auszudrücken, ohne offen konfrontativ zu sein.
Mangelnde Initiative: Mitarbeiter zeigen wenig, bis gar keine Eigeninitiative und warten darauf, dass ihnen Aufgaben zugewiesen werden.
Subtile Sabotage: Kleine Fehler oder Versäumnisse passieren absichtlich, um die Effizienz des Teams zu untergraben.
Rückzug und Isolation: Einzelne Teammitglieder ziehen sich von der Gruppe zurück und beteiligen sich weniger an gemeinschaftlichen Aktivitäten.
Diese Verhaltensweisen können die Teamdynamik und Produktivität erheblich beeinträchtigen. Es ist wichtig diese Anzeichen zu erkennen und schnell darauf zu reagieren.
So stärkst du die psychologische Sicherheit in deinem Team
Dein Team ist der Spiegel deiner selbst. Ist es dein Ziel, die Sicherheit in deinem Team zu erhöhen, geht es im ersten und wichtigsten Schritt darum, den Stand deiner eigenen psychologischen Sicherheit zu überprüfen. Frage dich: Von 1-10, wo liegt sie? Was stärkt sie? Was hemmt sie?
Ist deine eigene Sicherheit stark, erst dann kommt dein Team dran. Nehme dir in den nächsten Wochen einige der folgenden 10 Punkte vor und setze sie um.
Dein Team wird die Veränderung in und an dir erkennen. Es wird darauf reagieren und schon bald wird es dich spiegeln wodurch sich die psychologische Sicherheit merklich erhöht.
1. Fördere eine offene Kommunikation
Trage als Führungskraft oder Teammitglied aktiv zu einer offenen, transparenten Kommunikation bei. Ermutige deine Kollegen Fragen zu stellen, Bedenken zu äußern und Ideen frei zu teilen, ohne Furcht vor Zurückweisung. Mache ihnen klar, keine Idee ist zu klein oder irrelevant.
Ziel: Deine Teammitglieder äußern ihre Meinungen, Ideen und Bedenken offen, ohne Angst vor Kritik oder Sanktionen. Es gibt keine Tabuthemen, und Diskussionen sind konstruktiv.
2. Fehler sind zum Lernen da
Arbeitet an einer Kultur, in der Fehler als notwendiger Bestandteil des Lernprozesses angesehen werden. Diskutiert eure Fehler offen und erarbeitet gemeinsam Lösungen. Schuldzuweisungen haben hier keinen Platz.
Ziel: Fehler werden als Lernchancen betrachtet. Teammitglieder haben keine Angst davor, Fehler einzugestehen, weil sie wissen, dass sie unterstützt und nicht verurteilt werden.
3. Sei Vorbild
Zeige als Führungskraft deine verletzliche Seite, indem du deine Fehler offen zugibst und deine Unsicherheiten teilst. Wahre Stärke liegt darin, die eigenen Schwachstellen zu kennen und daran zu arbeiten. Dies signalisiert deinem Team, dass es in Ordnung ist, nicht perfekt zu sein.
Ziel: Teammitglieder zeigen Verständnis für die Herausforderungen und Schwierigkeiten ihrer Kollegen und bieten Hilfe an, wenn sie gebraucht wird. Der zwischenmenschliche Umgang ist respektvoll und unterstützend.
4. Höre aktiv zu
Führungskräfte und Teammitglieder hören aktiv zu, wenn jemand spricht. Zeige, dass du ihre Meinung wertschätzt, lege den Fokus darauf, andere ausreden zu lassen und nimm ihre Perspektive ernst.
Ziel: Im Team wird nicht nur gesprochen, sondern auch aktiv zugehört. Die Beiträge jedes Mitglieds werden respektiert und ernst genommen.
5. Fördere Inklusion und Beteiligung
Jedes Teammitglied hat die Möglichkeit, seine Meinung einzubringen. Schaffe ein Umfeld, in dem die Meinungen aller gewünscht und wertgeschätzt wird, unabhängig von Rang oder Erfahrung.
Ziel: Alle Teammitglieder haben gleiche Chancen, ihre Meinungen und Ideen einzubringen, unabhängig von ihrer Hierarchieebene oder Rolle im Team.
6. Gib positive Rückmeldung und Anerkennung
Gib positive Verstärkung, wenn Teammitglieder Initiative ergreifen, Risiken eingehen oder neue Ideen einbringen. Zeige Anerkennung für Beiträge, auch wenn sie nicht zum gewünschten Ergebnis führen.
Ziel: Das Team hat keine Angst davor, neue Ideen oder unkonventionelle Lösungen auszuprobieren, weil Fehler oder Rückschläge als normaler Teil des kreativen Prozesses gesehen werden.
7. Bewältige Konflikte konstruktiv
Konflikte im Team werden offen, respektvoll und konstruktiv gelöst. Es werden sichere Räume angeboten um Differenzen auszudiskutieren, ohne dass sich jemand angegriffen fühlt.
Ziel: Dein Team weiß, wie sie selbst Konflikte lösen können und tun dies auch. Unterschwellige Themen werden angesprochen und gelöst. Es herrscht eine gute Stimmung, es wird viel gelacht.
8. Baue Vertrauen auf
Vertrauen ist die Grundlage psychologischer Sicherheit. Dies geschieht durch konsistentes, respektvolles Verhalten, Verlässlichkeit und das Einhalten von Abmachungen.
Ziel: Es herrscht ein hohes Maß an Vertrauen unter den Teammitgliedern. Man kann sich aufeinander verlassen und geht davon aus, dass alle im besten Interesse des Teams handeln.
9. Kommuniziere eure Teamwerte /-normen klar
Lege Explizite Normen und Erwartungen im Team fest, die die psychologische Sicherheit unterstützen, z. B. “Wir hören einander zu” oder “Wir lernen aus Fehlern”.
Ziel: losfahren wie ein Ferrari😉
10. Etabliere eine Feedback-Kultur
Biete regelmäßiges Feedback, sowohl positiv als auch konstruktiv an. Erfrage Feedback bei deinen Kollegen. Das Feedback sollte immer darauf abzielen, Verbesserung zu unterstützen und nicht zu kritisieren.
Ziel: Feedback wird im Team regelmäßig und offen gegeben. Kritik ist konstruktiv und wird als Chance für persönliches und gemeinsames Wachstum wahrgenommen.
Psychologische Sicherheit zu schaffen ist ein fortlaufender Prozess, der sowohl individuelle als auch kollektive Anstrengungen erfordert. Wenn sie erfolgreich etabliert wird, fördert sie nicht nur Wohlbefinden und Zusammenarbeit, sondern steigert auch Innovation und Kreativität im Team.
Sei ein Ferrari
Eine weitere Idee ist es, das Pferd von hinten aufzuzäumen und wie in der holistischen Gewohnheitsübung "sei ein Ferrari", den Kollegen nicht zu sagen, was sie alles dürfen/sollen, sondern sich auf die wenigen "Verbote" zu konzentrieren. Die Gefahr ist nämlich, dass ein Team vor lauter Leitfäden ihre Unsicherheit nur noch verstärkt und nicht ins Tun kommt. Hier Freiheit zu lassen, stärkt die Sicherheit und dadurch die Autonomie im Team.
Und darum geht’s:
In vielen Unternehmen besteht die grundsätzliche Annahme, dass Mitarbeiter nichts tun dürfen, ohne eine ausdrückliche Erlaubnis bekommen zu haben. Unternehmen, die unter Holakratie laufen, gehen von der gegenteiligen Annahme aus: Mitarbeiter dürfen alles tun, außer, es wurde explizit verboten. Darum ist alles auf Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit ausgerichtet. Aber nicht irgendeine Handlungsfähigkeit. Diese Gewohnheit sagt nicht, "tu’ ganz egal was du willst." Sogar ein Ferrari kann nicht einfach eine Ampel ignorieren, ohne ernsthaften Schaden zu riskieren. Bei dieser Gewohnheit geht es also darum, schnell entsprechend der Regeln zu fahren.
Diese Regeln werden gemeinsam ausgearbeitet, die Leitplanken gesetzt und einige klare Verkehrsschilder platziert. Nun kann jeder alles tun oder lassen und selbst entscheiden, wenn dies dem Ziel seiner Rolle oder seiner Organisation dient. Wenn nichts explizit verboten ist, dann “los geht’s”.
Und jetzt?
Nun liegt der Fokus auf der Führungskraft selbst. Ihre Handlung, ihr Coaching-Geschick ihr "sate of mind", bestimmt den Erfolg.
Ich schlage vor, erst die Ist-Situation anhand von einem einfachen Punktesystem 1-10 zu ermitteln. Dann das Ziel von 1-10 festzulegen mit einer timeline anhand von der SMART Zielsetzung. Erst dann geht es um die Umsetzung: Welche der 10 Punkte werden wann und wie in den nächsten Wochen und Monaten umgesetzt? Wie könnte eine Selbstkontrolle aussehen? Wer unterstützt die Führungskraft dabei? Anhand von was, werden Erfolge gemessen?
Dann geben wir dieses Thema auch in die Arbeitsgruppen mit der Einladung, Ideen zu sammeln. Es wäre schade, dieses Potential nicht zu nutzen. Ich bin immer wieder überrascht, wie viele Ideen im Team schlummern und wie motiviert in die Umsetzung gegangen wird.
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